Blütezeit Circa 1870 bis Anfang der 1920er Jahre

Mit der Verfestigung des Genres Volkssänger nach 1870 verschob sich die Gewichtung: ursprünglich als Beigabe, Animation zu gesteigertem Bierkonsum gedacht, bekamen die Darbietungen einen wachsenden Stellenwert. Man besuchte die Lokale der Volkssänger wegen, saß an Tischen und teilte die Aufmerksamkeit zwischen Programm, Speisen, Getränken und Tabakgenuss. Die Entfaltung eines Bühnengeschehens mit differenzierten Charakteren war in diesem Rahmen nicht möglich, das Bedürfnis richtete sich auf eine Abfolge kurzweiliger Nummern in leicht fassbaren Situationen.

So bildete sich ein Programmschema heraus, bei dem sich Gesang, Einakter, kurzen Szenen und Solodarbietungen abwechselten. Die Schematisierung im Programmablauf korrelierte mit inhaltlicher Stereotypie. Es gab einen Kanon gängiger Sujets, der auch aus Gründen rascher Erkennbarkeit verfestigt war. Er umfasste Themen wie die Verschiedenheiten von Stadt- und Landbevölkerung, Preissteigerungen und Steuererhöhungen, eheliche (Un-)Treue in allen Varianten, Lob auf das Bier, die Münchner Gemütlichkeit sowie die gute alte Zeit, Politikerschelte und Misstrauen gegenüber technischen Neuerungen.

Damit einher ging eine Anzahl von Rollenstereotypen: beliebte Charaktere waren neben dem Gscherten (der tölpelhafte, grobe, aber zu Geld gekommene Bauer) vor allem die beiden Klein-Ganoven Kare und Luke aus dem Lumpenproletariat der Vorstadt, Soldaten aller Waffengattungen - besonders der Schwere Reiter, großmäulige Preußen, unfähige Polizisten und langsame Dienstleute.

Für Volkssängerinnen gab es das sehr eingeschränkte Repertoire in Form von zänkischen Ehefrauen und bösen Schwiegermüttern sowie die jugendliche Soubrette, die mit ihren körperlichen Reizen nicht zu geizig sein durfte.

Der Druck, sich innerhalb der Schemata ständig etwas Neues einfallen lassen zu müssen und aktuelle Ereignisse zu thematisieren, war bei manchmal wöchentlichem Programmwechsel erheblich. Entscheidend für den Erfolg eines Volkssängers war die Fähigkeit, immer wieder neue komische Effekte in dieser schablonenhaften Form zu produzieren.

Dabei waren die Anforderungen an die darstellerischen Künste durchaus vielfältig, ein Volkssänger war Vortragsredner, Schauspieler, Sänger, die führenden Köpfe fungierten darüber hinaus als Textdichter, auch Komponisten, Instrumentalmusiker, Arrangeure und Veranstalter. Bis auf wenige Ausnahmen agierten keine Alleinunterhalter, sondern sog. Volkssänger-Gesellschaften, bestehend aus drei bis sieben AkteurInnen.

Um 1900 gab es circa 400 haupt- oder nebenberufliche VolkssängerInnen in München, kurz vor dem Ersten Weltkrieg waren es laut Polizei-Direktion sogar rund 800, die in 81 Lokalen (Wirtshäusern und Singspielhallen) spielten. 1915 wurden von der Polizei kriegsbedingt nur noch 250 Konzessionen erteilt, die sich auf 20 Volkssängergesellschaften bis bis zu sieben Mitgliedern verteilten.

Über die politische Brisanz der oft tagesaktuellen Volkssänger-Unterhaltung gibt es unterschiedliche Einschätzungen, die von "frei waren die Vorträge der Volkssänger von jeder hohen Politik" bis zur Feststellung revolutionärer Gesinnung reichen. Entsprechendes gilt für Beurteilungen hinsichtlich der "Sittlichkeit" des Dargebotenen. Fest steht jedoch, dass die Obrigkeit das Treiben der VolkssängerInnen mit Argwohn beobachtete; die Programme mussten bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs hinein der Zensurbehörde rechtzeitig zur Begutachtung vorgelegt werden und Polizeikommissäre überwachten, ob die Aufführungen dem jeweils genehmigten Programm entsprachen.

 

VolkssängerInnen

 

Brettl/Wirtshausbühnen

 

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Foto: Valentin-Karlstadt-Musäum

Münchner Wander-Theater

 

 

Volkssängertruppe Sigl, Stettmeyer, Kramer 1915