Alter Simpl Türkenstraße 57
1903 übernahm Kathi Kobus, eine Wirtstochter aus Traunstein, die Räume des Kaffeehauses Kronprinz Rudolf in der Türkenstraße. Zuvor hatte sie in der Adalbertstraße die Dichtelei geführt, die unter ihrer Obhut zu einer Brettlbühne geworden war. Kathi Kobus durfte nach einem Gerichtsurteil den Namen Neue Dichtelei nicht führen, stattdessen erhielt sie von Albert Langen - Herausgeber der satirischen Zeitschrift Simplicissimus (1896-1935) -die Genehmigung, das neue Lokal Simplizissimus zu nennen. Zu ihren Stammgästen zählten Frank Wedekind, Ludwig Thoma, Thomas Theodor Heine, Olaf Gulbransson, Erich Mühsam, Max Halbe, Roda Roda, Fred Endrikat und andere Autoren aus dem Umfeld des Simplicissimus. Kathi Kobus engagierte einzelne ihrer Gäste zur ständigen Unterhaltung des Publikums. Es wurde rezitiert und gesungen, oft ohne Gage.
1907 holte Kathi Kobus >>Karl Valentin erstmalig auf die Bühne.
1912 gab sie den Simpl auf, übernahm ihn nach dem 1. Weltkrieg wieder und führte ihn zu neuer Blüte. Joachim Ringelnatz wurde der Hausdichter. Am 1. Juni 1920 nahm sie den Wiener Humoristen >>Theo Prosel (1889-1955) unter Vertrag, der die Abende arrangierte und Texte schrieb.
Während der Wirtschaftskrise musste Kathi Kobus den Simpl als Veranstalterin endgültig aufgeben, behielt jedoch die Geschäftsführung des Lokals. 1929 starb sie im Alter von 73 Jahren.
1935 erwarb >>Adolf Gondrell den Simpl, Theo Prosel wurde Pächter. Zusammen mit Fred Endrikat schrieb er die Programme und gab damit auch Gastspiele: 1936 in der Berliner Scala, 1937 an den Münchner Kammerspielen und in der >>Münchner Tonhalle.
Am 13. Juli 1944 zerstörte eine Sprengbombe den Bühnenraum.
1946 eröffnete Theo Prosel den Simpl unter dem Namen Neuer Simpl am Platzl, wo 1948 >>Karl Valentin seinen letzten Auftritt mit >>Liesl Karlstadt hatte.
1955 starb Theo Prosel. Seine Nachkommen pflegen sein Erbe und bringen "Chansons, Moritaten, Couplets mit multimedialen Familieneinblendungen in einer Revue rund um den legendären Simpl-Wirt" zur Aufführung, u.a. im >>theater...undsofort.
1960 bis 1992 war die Volksschauspielerin Toni Netzle (geboren 1930) Wirtin des Alten Simpl, nun wieder in der Türkenstraße 57.
Nach wie vor ist hier ein Lokal mit Namen Alter Simpl. Die Bulldogge im Logo verweist weiterhin auf die Anfänge des legendären Ortes zu Beginn des 20. Jhds. Für UnterhaltungskünstlerInnen spielt der Alte Simpl heute keine Rolle mehr.
Das Lied der Kathi Kobus
Nun stimmet an mit frohem Sinn
Und brüllt aus vollem Leibe
Das Lied der Kathi Kobussin
Und ihrer Künstler-Kneipe!
Dort hab' ich manches Mal gezecht,
Und ward mir's hinterher auch schlecht,
Ich singe doch mit Fug und Recht
Es gibt auf dem ganzen Globus
Nur eine Kathi Kobus!
aus:
Joachim Ringelnatz: Simplicissimus,
München 1909